Kommune 6/2012

Forum für Politik, Ökonomie und Kultur

Wolfgang Templin

 

Partner CIA ?

Polens Bündnistreue zu den USA und die Existenz von Geheimgefängnissen


Es klang für viele wie ein Schauermärchen und wurde doch immer mehr zur beklemmenden Realität. In der Washington Post vom 2.November2005 erschien ein Artikel des Journalisten Dana Priest CIA Holds Terror Suspects in Secret Prisons. Beschrieben wurde ein Programm der Einrichtung von Geheimgefängnissen außerhalb des Territoriums der USA. Dorthin sollten per Flugzeug Terrorverdächtige gebracht worden sein, die verschärften, folterartigen , Verhörmethoden unterworfen wurden. Der Text stützte sich auf anonyme Quellen im Umfeld der CIA. Einige Tage später gab die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch eine offizielle Erklärung ab, in der solche CIA – Basen lokalisiert wurden, darunter in mittelosteuropäischen Ländern, wie Polen und Litauen, aber auch in Rumänien. In Polen war es ein Ausbildungsgelände in Stare Kiejkuty, in den Masuren. Die Flüge sollen von 2002- 2004 stattgefunden haben und nach Durchsickern der ersten Informationen eingestellt worden sein.


Auf Anfragen polnischer Medien, stritt der damalige Staatspräsident Alexander Kwasniewski die Wahrheit dieser Informationen ab. Leszek Miller, der damalige Ministerpräsident, Vertreter der polnischen Sicherheitsdienste und mit der Kontrolle der Sicherheitsdienste befasste Parlamentarier folgten ihm mit Dementis.


Amerikanische Journalisten und Vertreter internationaler Menschenrechtsorganisationen, die weitere Recherchen anstellten und unbequeme Fragen stellten, wurden als unseriös bezeichnet. Das Wissen um die Existenz von Geheimgefängnissen, darin festgehaltenen Terrorverdächtigen und die Anwendung von Folterpraktiken wurde von zahlreichen Politikern und Verantwortlichen der polnischen Exekutive weiter verneint. Die Vorwürfe von Entführung, Einkerkerung und Folter blieben im Raum stehen, mobilisierten die öffentliche Meinung aber noch lange nicht.

Es gab nur wenige Journalisten, Vertreter von Menschenrechtsorganisationen und einzelne Politiker, wie der damalige Europaabgeordnete und jetzige Senator Jozef Pinior, die eine vollständige Aufklärung und Konsequenzen für die Verantwortlichen forderten.


Als aufgefundene Flugbücher, die zunächst verleugnet wurden, derartige Flüge nach Polen belegten, bauten sich die Verantwortlichen eine zweite Verteidigungslinie auf. Ja, es habe diese Flüge und die dazu gehörigen Vereinbarungen gegeben. Dabei habe es sich aber lediglich um geheim zu haltende Zwischenlandungen mit rein logistischer Funktion gehandelt. Das Europäische Parlament und der Europarat richteten zur Aufklärung 2006- 2007 verschiedene Kommissionen ein. Für den Europarat verfasste der Schweizer Dick Marty als Sonderbeauftragte zwei Berichte, in denen immer neue Informationen verarbeitet wurden, die den polnischen Standort als das wichtigste europäische CIA-Gefängnis identifizierten. Von polnischer offizieller Seite hagelte es Proteste und den Vorwurf, damit würden Terroristen in das Land eingeladen. Die zu dieser Zeit an der Regierung befindliche und den Staatspräsidenten stellende rechtsnationale PIS-Koalition, ließ sonst keine Gelegenheit aus, ihre linken Vorgänger der schwersten Vergehen zu beschuldigen. Sie hatte hier ihre eigenen Gründe, die absolute Bündnistreue Polens gegenüber allem was die USA betraf, nicht in Frage zu stellen. Erst im Jahre 2008 reagierte der neue liberalkonservative Ministerpräsident Donald Tusk auf den internationalen Druck und ordnete staatsanwaltliche Ermittlungen an.


Mehr als vier Jahre später sind durch einen weiteren Rapport des europäischen Parlaments und zahlreicher anderer Quellen, die entscheidenden Fakten bestätigt. Auf dem Gelände der polnischen Militärbasis existierte zwischen 2003-2005 ein von der CIA „betreutes“ Geheimgefängnis. Die dorthin verbrachten und inhaftierten Terrorverdächtigen waren Verhörpraktiken ausgesetzt, die als Folter gelten. Dies bestätigen Aussagen von CIA-Verantwortlichen und Vernehmern, die bekannt wurden. Möglich wurde das Ganze, durch ein Abkommen zwischen der amerikanischen Seite und Vertretern der polnischen Geheimdienste, dessen genauer Inhalt bis heute nicht bekannt ist.

Damit sind Grundartikel der polnischen Verfassung und internationale Menschenrechtskonventionen, denen sich Polen angeschlossen hat, verletzt und gebrochen worden. Niemand kann annehmen, dass die auf polnischer Seite unmittelbar damit Befassten, ohne Rückendeckung von höchster Seite handelten und nicht regelmäßig Bericht erstattet hatten.


Hochrangige polnische Politiker, Staatsbeamte und Vertreter der Sicherheitsdienste sind jetzt mit der Tatsache konfrontiert, dass sie damals die Unwahrheit sagten und Informationen zurückhielten. In ihrer aktuellen Verteidigung sprechen sie von den Bündnisverpflichtungen Polens, dem notwendigen Kampf gegen den Terrorismus, dem Schutz geheimer Informationen und einer übergeordneten Staatsräson. Donald Tusk spricht von der notwendigen Aufklärung des Falles, worüber es weder in Polen noch auf der anderen Seite des Ozeans Zweifel geben dürfe. Dann muss er dafür sorgen, dass den weiteren staatsanwaltlichen Ermittlungen nicht immer erneute Steine in den Weg gelegt werden.

Eine geradezu unerträgliche Rechtfertigung des damaligen Handelns kommt von Leszek Miller, der beteuert keine Träne über Mörder zu vergießen. Ein guter Terrorist ist ein toter Terror. Bis zur Rechtfertigung von Folterpraktiken im Gefahrenfall ist es dann nur ein Schritt. Nicht viel besser ist es um die Argumentation von Adam Michnik bestellt, der als international geachteter Vorkämpfer für Demokratie und Menschenrechte, von einer Ausnahmesituation und der polnischen Staatsräson spricht. Lech Walesa beteuert gegen Folter zu sein aber es ginge hier um einen Krieg und ein Krieg habe spezielle Regeln.


Keine Terrorgefahr und keine Bündnisverpflichtung darf eine Demokratie und einen Rechtsstaat, zu dem Polen nach 1989 wurde, zum Bruch mit der eigenen Verfassung, zur Verletzung internationaler Menschenrechtskonventionen und zur Anerkennung von Folterpraktiken führen. Verantwortliche Politiker, vom Staatspräsidenten bis zum Minister haben die Verantwortung für das was dort geschehen ist, denn sie hatten und haben die Möglichkeit, darüber informiert zu werden. Parlamentarier, die zur Kontrolle der Geheimdienste eingesetzt sind und sich von deren Vertretern vorführen lassen, sitzen am falschen Platz. Über die Rolle von Geheimdiensten in demokratischen Staaten ist in entscheidenden Punkten zu diskutieren. Dienste neigen zur Geheimniskrämerei, Verselbständigung, konkurrieren untereinander und stiften oft mehr Schaden als Nutzen. Das deutsche Beispiel des Umgangs mit der NSU Terrorzelle in Thüringen, zeigt dies sehr deutlich.

Wenn hinter dem Verbündeten USA, die CIA als ausführendes Organ auftaucht ist ohnehin die größte Vorsicht geboten. Leszek Miller und Alexander Kwasniewski als Repräsentanten des linken Lagers hatten in diesen Fragen alle Augen fest geschlossen. Ihre Motive, wenn sie den amerikanischen Diensten freie Hand ließen, sind sicher andere als ihrer rechtskonservativen Gegner. Beide Motivlagen gehen nicht auf. Bündnistreue und berechtigter Dank an den Freiheitsgaranten USA kann den selbstbewussten, kritischen Umgang mit dem Verbündeten einschließen.


Das Straßburger Menschenrechtstribunal hat in der Frage der polnischen Mitverantwortung für die Geheimgefängnisse zahlreiche konkrete Fragen gestellt, die der weiteren Beantwortung harren.

 

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